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Architekturdarstellungen in der Malerei: Eine Symbiose

von Marc Hettenberger
Architekturdarstellungen in der Malerei

Malerei, Zeichnung und Architektur zählen neben Bildhauerei und Grafik zu den klassischen Gattungen der bildenden Kunst. Während die Architektur dreidimensionale Werke hervorbringt, geht es in Malerei und Zeichnung hauptsächlich um flächige Werke. Trotz ihrer Bindung an die Fläche kann die Malerei als freiste der bildenden Künste angesehen werden, da ihre illusorische Fähigkeit sowohl die Gestaltung von existenten Wirklichkeiten als auch von rein gedanklichen Vorstellungen erlauben.

Farbe, Linien und Flächen bilden die Gestaltungsmittel der Malerei, unter welcher man das Anbringen von Farben mittels Pinsel, Spachteln oder sonstiger Hilfsmittel auf einen Farbträger versteht. Eine Zeichnung stellt ein Motiv in vereinfachender Weise mit Linien und Strichen dar. Unter Architektur versteht man die handwerkliche und ästhetische Auseinandersetzung mit dem gebauten Raum, deren zentraler Inhalt das Entwerfen, Gestalten und Konstruieren von Bauwerken ist. Im weitesten Sinn wird Architektur als Bauen jeglicher Art verstanden. Dabei beruht diese Kunstform nach Vitruv auf den Prinzipien Stabilität, Nützlichkeit und Schönheit.

Architekturdarstellungen: In der Malerei bilden sie eine Symbiose

Malerei, Zeichnung und Architektur sind also eigenständige, unterschiedliche Kunstgattungen. Dennoch finden sich zwischen diesen Disziplinen durchaus Schnittstellen und Berührungspunkte. Künstler dokumentieren in Malerei und Zeichnung seit jeher die Schönheit von Bauwerken, wobei sich der Bogen von der Spätgotik über die Renaissance, den Barock, Klassizismus, Historismus oder Jugendstil bis hin zur zeitgenössischen Architektur spannt.

Architekturmalerei

Wesentlicher Gegenstand dieser Art von Malerei ist die Darstellung von Architektur, von einzelnen Bauteilen über Innen- und Außenarchitektur bis hin zu architektonischen Gesamtanlagen. Dabei können die Architekturobjekte sowohl für sich, also als Hauptmotiv, oder eingebettet in die Umgebung wiedergegeben werden. Von einem eigentlichen Architekturbild spricht man dann, wenn das Architekturmotiv im Mittelpunkt steht und durch die Gesamtstimmung aus Beleuchtung, Luftwirkung und Umgebung zu einer künstlerischen Bildwirkung gebracht wird.  In der Malerei des 15. Jahrhunderts fungierte die Architektur als Hintergrund oder Umrahmung der dargestellten Szene.

In der Renaissance wurde Architektur eingesetzt, um Gemälden Tiefe zu verleihen und die Perspektive zu betonen.

Die Gebrüder van Eyck stellten um 1426 ihre Figuren in reale Bauten. Sie waren mit einer profunden Kenntnis der Linearperspektive sowie von Gesetzmäßigkeiten der Architektur ausgestattet und übten einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Architekturmalerei aus. Erst im Jahr 1580 etablierte sich die Architektur als eigenständiges Thema, beispielsweise in den Kupferstichen des niederländischen Renaissancemalers Hans Vredeman de Vries mit Darstellungen von Häusern, Plätzen, Arkaden, Brunnen und Kolonnaden. Im späten 16. Jahrhundert schaffte es das Architekturbild, sich als eigene Gattung in der Malerei zu positionieren.

Innenansichten von Kirchen oder prunkvollen Sälen waren vor allem bei den niederländischen Malern beliebte Motive. Ein Beispiel hierfür ist die Innenansicht einer Kirche von Batholomeus van Bassen. Der Mensch ist im Alltag ständig von Architektur umgeben und diese ist ein wesentlicher Teil der kulturellen Identität einer Gesellschaft. Somit ist es wenig verwunderlich, dass die Architektur als Motiv Einzug in die Malerei hielt. Das zunehmende Interesse an Architekturdarstellungen brachte das Bestreben mit sich, berühmte Gebäude möglichst detailgetreu wiederzugeben.

malerei architektonisch geprägt

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Prägende Persönlichkeiten

Mit Van de Neer und de Witte in Holland sowie den Familien Canale und Guardi in Italien fand das selbständige Architekturbild im 17. und 18. Jahrhundert seinen Platz in der Malerei. Später entwickelte sich die Architekturmalerei zum Werkzeug für romantische Gemälde, besonders Ansichten von Ruinen erfreuten sich großer Beliebtheit. Durch die Ausschreibung architektonischer Wettbewerbe wurde die Architekturmalerei zu einem allgemeineren Bedürfnis. Hier diente die Architekturdarstellung der ästhetischen Überprüfung der geplanten Idee. Ein exzellentes Beispiel dafür ist der italienische Architekt Francesco Borromini.

Seine idealisierte Studie zur Fassade des Oratorio dei Filippini aus dem Jahre 1660 oder sein Entwurf für die Laterne von Sant’Ivo alla Sapienza (1649-1652) zählen zu den Meisterwerken der Architekturzeichnung. Zeichnungen von Gian Lorenzo Bernini, Adolf Loos oder Clemens Holzmeister dokumentierten architektonische Gegebenheiten und entwarfen die Zukunft. Der Bogen spannt sich hier von Entwürfen bis zu realistischen Ansichten von Bauwerken und Städten. Als Beispiele seien hier Clemens Holzmeisters Entwurf für eine Kathedrale in Rio dei Janeiro aus dem Jahr 1952 oder die Orthogonalansicht des neuen Wiener Hofburgtheaters von Gottfried Semper und Carl von Hasenauer aus dem Jahr 1873 genannt.

Darstellung in der architektonischen Malerei

Das Prinzip der Architekturdarstellung basiert auf der Reduktion der realen Architektur auf einen zweidimensional abbildbaren Aspekt. Gerade diese Reduktion erlaubt einen künstlichen Blick auf ein architektonisches Gebilde, der in der Realität in dieser Klarheit unmöglich wäre. Die Einführung der Perspektive in der Kunst eröffnete neue Möglichkeiten der räumlichen Darstellung. Größen dieser Kunstgattung, wie beispielsweise Peter Neefs, beherrschten die Linien- und Luftperspektive meisterhaft. In Frankreich setzten zahlreiche Künstler die Aquarellmalerei für architektonische Darstellungen ein. Die Dokumentation der Architektur kann poetisch, schwärmend oder kalt und nüchtern erfolgen.

Durch ungewöhnliche Perspektiven oder Lichteinfälle können sich altbekannte Motive dem Betrachter ganz neu erschließen. Neben farbigen Darstellungen werden speziell für architektonische Entwürfe oft Tusche, Sepia, Bleistift oder Kohle eingesetzt, während der Schwede Axel Haig (1835 – 1921) seine Architekturstücke vorwiegend radierte. Stimmungsvolle Architekturmalerei, bei der stark mit dem Mittel der Beleuchtung gearbeitet wird und in der das architektonische zugunsten farbiger Wirkung zurücktritt, sind hingegen auch Öl oder Tempera als Techniken weit verbreitet.

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