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Max Bahr Baumarkt: Aufstieg und Fall eines Traditionsunternehmens

von Marc Hettenberger
Max Bahr Baumarkt

Max Bahr klingt als Markenname alteingesessenen Norddeutschen auch heute noch angenehm in den Ohren. Leider konnte die gute Firmenstrategie den finanziellen Niedergang nach über 100 Jahren nicht verhindern. Vorausblickend werden andere Baumarkt-Ketten eventuell vergleichbaren, nicht selbst verschuldeten Problemen gegenüberstehen.

Max Bahr: Die Anfänge zum Erfolg

1879 begann der erste Inhaber der späteren Baumarktkette Max Bahr mit dem Geschäftsbetrieb einer Stellmacherei. In Bramfeld (Hamburg) wurden Bauteile für hölzerne Wagen sowie landwirtschaftliche Holzgeräte produziert. Bis 1906 blieb das Unternehmen in der Gründungsgröße bestehen. Dann übernahm Max Bahr den Betrieb seines Vaters. Den Schritt zur ersten Vergrößerung ging Max im Jahr 1927. Er widmete die Firma nun auch dem Einzelhandel im Holzvertrieb. Zur damaligen Zeit war Holz ein lohnendes Geschäft. Bis zum Tod des jungen Firmeninhabers im Jahr 1956 blieben Stellmacherei und Holzhandel die beiden Standbeine des späteren Baumarktes.

Trotz der damaligen politischen und gesellschaftlichen Umbrüche hielten diese zwei Säulen das Unternehmen stabil als bemerkenswerten Wirtschaftsfaktor.

Die Zeichen der Zeit erkannt und genutzt

In den Jahren des Wirtschaftswunders wurde Do it yourself (DIY) ein Trend in der Gesellschaft. Ab 1956 war Peter Möhrle Hauptgesellschafter der Max Bahr Holzhandlung. Er passte das Sortiment der Firma dem Trend an. Ein viel größeres Sortiment an bezahlbarem Zubehör für Heimwerker stand ab 1963 in den Regalen in Hamburg-Rissen zur Verfügung. Aus den USA kam eine neue Innovation. Baumärkte von immensen Ausmaßen und mit einem ebenso stattlichen Sortiment kamen in Mode. Rasch passte Möhrle die Ausrichtung der Unternehmensinhalte dieser Entwicklung an. Bis zum Jahr 1994 wuchsen die Sparten bis hin zur Alleinstellung eines eigenen Angebots für den Garten.

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Max Bahr Baumarkt als Vorbild für andere Baumarkt-Ketten

In den 1990er Jahren orientierten sich große Gruppen anderer Baumärkte an der bis hierher erfolgreichen Strukturierung. Dies beschleunigte die Entwicklung zu der Ausdehnung, welche Kunden bis heute von allen namhaften Baumärkten kennen. 2004 zog sich Peter Möhrle aus der aktiven Mitwirkung am Unternehmen zurück. Dies war der Zeitpunkt, zu welchem der Max Bahr Baumarkt inzwischen seit 125 Jahren auf dem Markt erfolgreich aktiv war. Die Übernahme der Firma durch die Praktiker-Gruppe im Jahr 2007 verhieß noch größere Erfolge als bisher.

Internationale Bekanntheit als Marke und Firma sollten folgen. Zunächst ging der Plan für beide Seiten auf. Beratung und Service in der Max Bahr Tradition blieben bestehen. Die jetzigen Inhaber folgten dem gewachsenen Umweltgedanken der Verbraucher. Das interne Umweltmanagement führte zur Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001.

Erster nachhaltiger Baumarkt in Deutschland

Im Jahr der Übernahme eröffnete der Max Bahr Baumarkt einen Bau- und Gartenmarkt in Hamburg-Stellingen. Nachhaltigkeit war hier der Fokus bei Produkten, Fertigungsprozessen, Liefer- und Handelsketten. Es kamen Produkte zur Stromerzeugung (Photovoltaik), zur Nutzung von Regenwasser, Dachbegrünung, Wärmeerzeugung mit Holzpellets (sowie dazu passende Heizsysteme) und Artikel für natürliche Belüftung und Beleuchtung zum Portfolio hinzu. Die Praktiker-Gruppe sah in ihrem eigenen Programm zur Neustrukturierung Potential im Markennamen und Geschäftsgedanken Max Bahr. So flaggte die Gesellschaft bis 2013 mehrere dutzend Baumärkte auf das Konzept um.

Weitere hunderte sollten folgen. Dazu sollten die eigenen bereits vorhandenen Praktiker-Filialen entsprechend umgestaltet werden. Doch schneller als der traditionsreiche Aufstieg der Firma kam es 2013 zum plötzlichen Fall von Praktiker und somit auch von Max Bahr.

mann im baumarkt

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Max Bahr Angebote: Vermittlung und Feilschen um das Erbe der Traditionsmarke

Die Muttergesellschaft meldete Insolvenz an, zwei Wochen danach folgte die Anmeldung von Max Bahr. Es folgten intensive Vermittlungsbemühungen seitens des Insolvenzverwalters. Kaufinteressenten gab es schon. Doch mit Bekanntwerden der Summe an nicht eingelösten Verbindlichkeiten traten diese rasch von Verkaufsverhandlungen zurück. Ein Interessent für das Erbe der Max Bahr Baumarkt-Kette war Globus. Sämtliche Filialen sollten aufgekauft werden.

Inzwischen gehörten die Bahr-Häuser der Royal Bank of Scotland. Doch am Tag der vorgesehenen Unterzeichnung des Kaufvertrages kam es zu einem Eklat unter den Verhandlungspartnern. Über die genauen Gründe schweigen bis heute alle Beteiligten und Medien. Ergebnis der Verhandlungsstunden war ein Rücktritt vom Geschäft und somit die Nicht-Übernahme.

Neue Hoffnung für die Marke durch neue Interessenten

Weiter verhandelten die Baumarktketten Bauhaus und Hagebau um die Übernahme. Dieses Mal gab die Royal Bank of Scotland eine Zusage. Auch für diesen Sinneswandel nach der vorherigen Absage an andere Interessenten steht bis heute außerhalb der Verhandlungspartner nichts geschrieben. In diesem zweiten Anlauf wurden mehr als 50 % aller Max Bahr Baumarkt-Filialen von den beiden neuen Interessenten übernommen. Als eigene Gesellschaft wurde Max Bahr im Jahr 2014 aufgelöst. Filialen, die nicht für Bauhaus bzw. Hagebau von Interesse waren, gingen an andere Baumärkte. Dort allerdings änderten sich Preise und das Sortiment entsprechend der jeweils eigenen Konzepte.

Bei diesen Baumärkten existiert das Sortiment der Marke Max Bahr weiter

Gegenüber jüngeren Baumärkten war der Name Max Bahr für die Kunden der Kette mit mehreren Qualitätserwartungen verbunden. Die Ware war durchweg von 1a-Qualität und dazu für jedermann bezahlbar. In den Baumärkten der Marke konnten Artikel persönlich begutachtet und dazu eine umfassende Beratung durch kompetente Mitarbeiter verlangt werden. Strategisch versuchen übernehmende Baumärkte, diese Strategie in das eigene Verkaufskonzept einzubinden. Vor allem bei diesen Märkten ist das zu erkennen:

  • Bau und Hobby Baumärkte: Unter dem Markennamen Max Bahr taucht das Traditionsangebot hier nicht auf. Allerdings wurden Artikel wie Holzplatten verschiedener Qualität sowie Outdoor-Produkte und Holzmöbel für den Sanitärbereich in das eigene Portfolio der Baumärkte integriert. Der Anbieter hat seinen Hauptsitz in Olten (Schweiz). Darüber hinaus bieten insgesamt 80 Schweizer Filialen den seit Max Bahr bewährten Service der Beratung und Anlieferung.
  • Eurobaustoff: Die Firma mit Hauptsitz in Karlsruhe bzw. Bad Nauheim legt den Fokus des Leistungsangebotes auf Fliesen, Baustoffe und Holz. Zielgruppe sind nicht Privatkunden, sondern mittelständische Fachhändler in ganz Deutschland sowie dem deutschsprachigen Ausland. Produkte der Marke Max Bahr sind eher nebenher im riesigen Sortiment der B2B-Baumarktkette integriert.
  • Globus: Dieser Baumarkt preist seine Sortimentsvielfalt und ein Erbe der Max Bahr-Philosophie an. Service online wird ergänzt durch lokalen Service im Geschäft sowie Leistungsangebote für Anlieferung, Abholung und unkomplizierten Umtausch. Auch das Portfolio für Heimwerker lässt den übernommenen Teil des einstigen Bahr-Traditionsunternehmens ahnen. Hauptsitz der Baumarkt-Kette ist Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz).
  • Hammer: In dieser Fachhandels-Kette taucht das Sortiment der Marke Max Bahr nicht überall auf. Vielmehr haben nur einige der Filialen die Produkte übernommen. Auch hier lebt die bewährte Tradition von gutem Service und ausführlicher Beratung weiter. Die Lücke eines guten Baumarktes im Norden Deutschlands füllt Hammer am Hauptsitz Porta Westfalica in Nordrhein-Westfalen zur Zufriedenheit der Kunden aus.
  • Hellweg Group Baywa Bau & Garten: Auch diese Baumarkt-Kette aus einem Zusammenschluss mit Baywa hat ihren Stammsitz in Dortmund, also im nördlichen Deutschland. Allerdings sind mit dem umfassenden Portfolio auch Artikel von Max Bahr inzwischen in fast hundert bundesweiten Filialen zu finden.
  • Hornbach: Die Pfälzer Baumarkt-Kette Hornbach ist nicht allein bundesweit, sondern in ganz Europa mit Bau- und Gartenmärkten vertreten. Im Zuge der globalen Digitalisierung liegt der Vertriebsschwerpunkt inzwischen zu großen Prozent-Anteilen beim Online-Handel. Eine junge Kategorie-Einteilung basiert möglicherweise auf dem philosophischen Erbe von Max Bahr. Es werden keine Produktgruppen, sondern Projektideen für Heimwerker und Handwerker im Profibereich vorgestellt.
  • Kingfisher Group: Dieser britische Konzern ist ursprünglich Handelspartner des weltweiten Einzelhandels. Inzwischen hat sich das Londoner Unternehmen auf Baumärkte spezialisiert. Im Zuge der Filial-Erweiterung gelangten auch bewährte Max-Bahr Produkte in das deutsche und europäische Portfolio.

Dem Vorbild des Traditionsunternehmens Max Bahr folgen außerdem die Baumärkte bzw. Baumarkt-Ketten Leitermann, Obi, Poco, Sonderpreis Discountbaumarkt, Stabilo, Tedox, Toom, TUPAG, V-Baumarkt sowie Werkers Welt. Allerdings ist ein Wandel im Serviceverhalten zu Online-Zeiten unvermeidlich. Dennoch findet sich der Beratungsgedanke in all diesen übernehmenden Firmen wieder.

max bahr angebot

monticello/shutterstock.com

Versuch einer Vorausschau kommender Baumarkt-Zeiten

Für Kunden im Hamburger Raum war die Max Bahr Baumarkt-Kette für lange Zeit eine wahre Institution. Doch die Idee, sich mit den eigenen Innovationen zu einem anderen Unternehmen hinzuzufügen, erwies sich als fatal. Ältere Norddeutsche reden noch heute vom Baumarkt, den sie vermissen. Doch die Zukunft hält auch ein positives Andenken an die Traditionsfirma bereit. Kundenbindung durch Werte wie Beratung und Service bleibt auch zu Zeiten von Online-Shops ein wichtiges Mittel zur erfolgreichen Kundenbindung. Das Ritual eines Besuchs im Lieblings-Baumarkt vor Ort wird aber auch in der Zukunft nicht in Vergessenheit geraten.

Als Unternehmen unterlag Max Bahr dem zunehmenden Konkurrenzdruck. Als Marke mit kundenorientierten Prinzipien hat das Geschäft allerdings seine Fußabdrücke überall dort hinterlassen, wo seine Produkte weiterhin präsent sind. Gute Preise, eine für Kunden angenehme Marktgestaltung vor Ort und online sowie geordnete Finanzen für nötige Investitionen bleiben auch künftig Pfeiler einer Erfolgsstrategie. Ob diese in einem oder einigen Jahrzehnten aufgeht, lässt sich kaum vorhersagen. Das beste Beispiel dafür ist der Niedergang der Max Bahr Baumarkt-Kette.

Max Bahr Baumarkt: Auch online ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell

Das Geschäftsmodell der Max Bahr Baumarkt-Kette war zunächst einfach, aber von Beginn an auf eine bestimmte Kundschaft ausgerichtet. Mit zunehmender Größe wuchsen auch der Kundenkreis und das Sortiment. Doch am scheinbaren Höhepunkt des Geschäftserfolges ging die Firma in der Mutterschaft der Praktiker-Kette an deren finanziellen Problemen mit unter. Künftig bleiben allerdings die traditionellen Werte der Kundenorientierung in jenen Baumärkten bestehen, die einen Teil des Sortiments weiterhin im Programm führen.


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